Eine bilanzielle Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten eines Unternehmens das Vermögen übersteigen und das Eigenkapital negativ ist. Um die Situation zu bewältigen und die Insolvenzpflicht nach § 19 InsO zu vermeiden, können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
1. Prüfung der Fortführungsprognose
- Positive Fortführungsprognose: Ist das Unternehmen voraussichtlich in der Lage, den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, besteht trotz bilanzieller Überschuldung keine Insolvenzantragspflicht.
- Erstellung eines Finanzplans für die nächsten 12 Monate.
- Einschätzung zukünftiger Umsätze und Kosten.
- Einbeziehung von Experten (z. B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer).
- Negative Fortführungsprognose: Liegt keine positive Perspektive vor, muss innerhalb von drei Wochen ein Insolvenzantrag gestellt werden.
2. Maßnahmen zur Verbesserung der Bilanz
a) Kapitalmaßnahmen
- Nachschusspflichten der Gesellschafter:
- Gesellschafter können verpflichtet werden, zusätzliche Mittel einzubringen, sofern dies im Gesellschaftsvertrag geregelt ist.
- Eigenkapitalzufuhr:
- Aufnahme neuer Gesellschafter oder Investoren.
- Kapitalerhöhung durch bestehende Gesellschafter.
- Umwandlung von Verbindlichkeiten in Eigenkapital:
- Gläubiger wandeln Forderungen in Geschäftsanteile um („Debt-to-Equity-Swap“).
b) Liquiditätsmaßnahmen
- Verkauf von Vermögensgegenständen:
- Verkauf nicht betriebsnotwendiger Maschinen, Immobilien oder anderer Vermögenswerte.
- Factoring:
- Forderungen werden an Factoring-Unternehmen verkauft, um kurzfristig Liquidität zu schaffen.
- Sale-and-Lease-Back:
- Verkauf von Vermögenswerten (z. B. Maschinen) mit anschließender Rückmietung.
c) Kostenreduktion
- Kostensenkungsmaßnahmen:
- Optimierung der Produktionsprozesse.
- Kündigung oder Neuverhandlung von langfristigen Verträgen.
- Personalmaßnahmen:
- Kurzarbeit beantragen.
- Stellenabbau in unrentablen Bereichen.
d) Steuerliche Maßnahmen
- Verlustvorträge:
- Steuerliche Verlustvorträge nutzen, um die Steuerlast zu senken.
- Rückforderung von Steuerzahlungen:
- Prüfung von Umsatzsteuerrückforderungen oder Steuererstattungen.
3. Verhandlungen mit Gläubigern
- Stundungsvereinbarungen:
- Gläubiger gewähren Zahlungsaufschübe, um kurzfristige Liquidität zu sichern.
- Schuldenschnitt:
- Teilweiser Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen im Rahmen eines Vergleichs.
- Moratorium:
- Vereinbarung eines zeitlich begrenzten Zahlungsstopps mit den Gläubigern.
4. Sanierungsverfahren
- Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO):
- Eigenverwaltung des Unternehmens unter Aufsicht eines Sachwalters.
- Erstellung eines Sanierungsplans, um die Firma zu restrukturieren.
- Außergerichtlicher Vergleich:
- Verhandlungen mit Gläubigern ohne gerichtliche Beteiligung.
- Insolvenz in Eigenverwaltung (§ 270a InsO):
- Ziel: Sanierung statt Zerschlagung des Unternehmens.
5. Präventive Maßnahmen für die Zukunft
- Liquiditätsmanagement:
- Einführung eines professionellen Liquiditätscontrollings.
- Regelmäßige Überprüfung der Einnahmen und Ausgaben.
- Frühwarnsysteme:
- Implementierung von Finanzkennzahlen (z. B. Eigenkapitalquote) als Kontrollinstrument.
- Diversifikation:
- Erweiterung der Produkt- oder Dienstleistungspalette zur Risikominimierung.
Beispiel für eine Lösung
Ausgangssituation:
Die XYZ GmbH hat ein negatives Eigenkapital von 50.000 € und kann ohne Maßnahmen keinen Geschäftsbetrieb fortführen.
Maßnahmen:
- Die Gesellschafter beschließen eine Kapitalerhöhung von 60.000 €, um das Eigenkapital wieder ins Positive zu bringen.
- Gleichzeitig werden mit den Gläubigern Stundungen ausgehandelt, sodass kurzfristige Liquidität gesichert ist.
- Der Geschäftsführer verkauft nicht benötigte Maschinen im Wert von 30.000 €.
Ergebnis:
Durch diese Maßnahmen wird die bilanzielle Überschuldung beseitigt, und das Unternehmen erhält eine positive Fortführungsprognose.
Die Wahl der richtigen Maßnahmen hängt von der individuellen Situation ab. Fachliche Unterstützung durch Steuerberater, Insolvenzverwalter oder Unternehmensberater ist unerlässlich, um rechtssicher und effektiv zu handeln.